Normalerweise schlendere ich durch die Gänge und lasse mich inspirieren. Ich weiß selten, was ich will. Ich muss mir das anschauen. Dazu aber brauche ich Zeit und Muse. Beides war nicht gegeben. Ich habe dann ein Hemd genommen, was ich am Stand kurz überstreifte und meine Begleiter mir versicherten, dass es mir passe und gut aussähe. Kostet ja nicht viel und wenn es zuhause im Schrank Staub ansetzt, habe ich eigentlich kaum etwas verloren. Vielleicht will es ja mein Sohn haben. Viele aus unserer Gruppe waren da deutlich zielstrebiger und haben sich mit den Dingen eingedeckt, die sie wollten, suchten und auch fanden. Dann kam es doch zu einigen Unklarheiten: Wie funktioniert das mit dem Bezahlen? Der nette Verkäufer verstand uns überhaupt nicht und nickte auf unsere unterschiedlich formulierten Anfragen immer nur lächelnd. Dann haben wir herausgefunden, dass wir die Ware an einem Schalter in unserem dritten Stock abgeben mussten. Dort bekamen wir eine Rechnung, mit der wir zur Kasse im Erdgeschoss fuhren. Man kann sich vorstellen, dass es vor dieser Kasse doch ziemlich laut, hektisch und voll war.


Ralf Tepel ging mit uns an unserer zweiten Station in einen Laden, in dem preiswert sehr gute Kaschmirschals zu erwerben waren. Mit mehr als 20 Leuten stürmten wir den kleinen Laden und Ralf übernahm sofort die Preisverhandlungen. Zuerst sollte ein Kaschmirschal 3500 RS kosten. Dann, nach einigem Hin und Her und einem Telefonanruf des Händlers (bei seinem Bruder?) reduzierte sich der Preis auf 1600 RS, ein sehr gutes Angebot. Um den kleinen Verkaufstisch standen 20 Deutsche, selbst hinter dem Tresen. Und auf dem Tisch, der vorher ordentlich leergeräumt war, befanden sich Schals, die aus der Packung gezogen und begutachtet wurden. Ich glaube, jeder hat hier etwas gekauft, so mancher hat aber auch noch ein besseres Geschäft gemacht als das Vorgeschlagene: einem aus unserer Gruppe ist es gelungen, acht Schals für insgesamt 7000RS zu kaufen. Ich habe von keinem besseren Deal gehört. Der Verkäufer hat bestimmt das Geschäft der Woche, wenn nicht des vergangenen Monats oder mehr, gemacht.
An der dritten Station war die Aufregung dann doch deutlich reduzierter. FabIndia war lange nicht so voll wie die vorhergehenden Häuser. Der Supermarkt war so besucht wie bei uns REWE an einem Freitagabend. Auch hier wurde einiges gekauft, so manches für den täglichen Bedarf oder einfach kleinere Gimmicks (Nüsse oder ähnliches); bei FabIndia jedoch auch wieder Hemden und Hosen und andere Kleidung.
Als wir dann endlich nach ungefähr drei Stunden in unseren Bus fielen und langsam durch die engen und belebten Straßen zu unserer Unterkunft zurückfuhren, sah ich auf der Straße drei Kinder. Sie sahen sehr verwahrlost aus und einer stand mit dürren, bettelnden Armen am Straßenrand. Und plötzlich schoss mir durch den Kopf, dass ich zwar in Deutschland die Frage nach Kinderarbeit in der Bekleidungsindustrie immer wieder im Unterricht stelle und dabei auf Unternehmen wie TIK zeige, die im asiatischen Raum produzieren lassen. Aber hier, an einem Ort, in dem Kinderarbeit immer noch weitverbreitet ist, kaufe ich die sehr preiswerte Kleidung und stelle mir die Frage nicht. Gibt es für die indischen Produkte nur faire Produktionsbedingungen? Werden die Hemden, die wir hier gekauft haben unter gerechten und ökologisch sauberen Bedingungen hergestellt? Darf mein Gewissen hier schlafen oder einfach anders ticken als in Deutschland? Plötzlich konnte ich mich nicht mehr so freuen über meine Einkäufe und mit einem etwas flauen Gefühl im Magen fuhr ich in meine Unterkunft zurück.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen